Da ich früh in's Bett gegangen bin, fällt es mir an diesem Samstagmorgen nicht allzu schwer, gegen acht Uhr aufzustehen. Ich begleite Lily zum Flughafen, wo wir Herrn Orthmann, einen 70 jährigen Deutschen, abholen. Es ist, trotz der vielen ankommenden ausländischen Touristen, nicht schwierig, ihn zu erkennen. Er reist allein, und die uns bekannten "Merkmale" - graue Haare und Brille - sind hier in China durchaus hilfreich. Ich bin beeindruckt - er lernt seit zwei Jahren Chinesisch und ist zum ersten Mal hier. Als Archäologe war er aber schon viel im Nahen Osten unterwegs, vergleicht auf der Fahrt zurück in die Stadt das, was er sieht, mit Beirut. Und erspäht sofort die lieblos in der Landschaft verteilten und vernachlässigten Grabhügel, die wohl jedem anderen verborgen bleiben und die auch ich bis jetzt nicht wahrgenommen hatte.
Wir kommen in der Schule an, es gibt Mittagessen. Hier wird gekocht - und zwar sehr gut, wie ich finde. Also werde ich wohl hier in der Woche meine Mittagspausen verbringen. Nun komme auch endlich dazu, ausführlich zu schreiben, surfe ein bißchen im Internet und lese Zeitung.

Auf dem Weg zurück kaufen wir noch ein paar Dinge ein und zu Hause packe ich endlich meine restlichen Sachen aus. Dann fahre ich mit Lily in die Stadt. Wir nehmen den Bus und steigen am Nan Men - dem Südtor der Stadtmauer - aus, die Fahrt bis dahin hat nur ungefähr zwanzig Minuten gedauert. Lily zeigt mir ihr Lieblingsrestaurant, das schräg gegenüber einer Jugendherberge liegt, wir bekommen eine Nummer und müssen warten, sehen einige Ausländer umherschlendern und können dann schneller als erwartet an einem kleinen Tisch in diesem kleinen, chaotischen Lokal Platz nehmen. Lily bestellt gebackenes Schweinefleisch in süß-saurer Sauce, scharfen Fisch und in kleine Würfel geschnittene, mit Sesam panierte und gebackene Auberginen. Hmmm, qie zi - endlich wieder Auberginen! Aber auch die anderen Gerichte schmecken sehr gut und wir trinken dazu Bier, das hier in Xi'an den Namen "Hans" trägt. Satt und müde fahren wir nach Hause und um zehn falle ich förmlich in's Bett...

Am Sonntag bin ich nicht so diszipliniert und schlafe an diesem Morgen aus, bis um zehn, stehe erst eine halbe Stunde später auf, das tut gut. Etwas später kommt Lilys Mutter, sie und Lily wollen Mittag essen gehen und fragen mich, ob ich mitkommen möchte. Mein "Nein" sorgt für Verwirrung - es ist doch Mittagszeit, jetzt muß man doch essen! Wenn ich das nicht schon kennen würde... Geduldig wiederhole ich meine Absage, als Lily mich erneut besorgt fragt. Mir ist einfach nicht nach viel und warmem Essen zumute, ich bin noch in Frühstücksstimmung. Also frage ich, ob Lily mir Äpfel mitbringt, was sie mit Freude tut.
Nachdem ich richtig aufgestanden bin, putze ich das Bad, was wirklich nötig ist. Ein genauerer Blick in die Küche, vor allem in den Kühlschrank, stoppt mein Vorhaben an dieser Stelle, da es einfach keinen Sinn hat, hier überhaupt anzufangen. Alles ist ölig verklebt und da ich wohl sowieso immer auswärts essen werde, beschließe ich, für die zwei Monate auf einen Kühlschrank zu verzichten. Es ist Sommer, ja - aber irgendwie wird das funktionieren...
Am Nachmittag gehen wir in die Schule, ich treffe Julia und lerne auch die Französischlehrerin Sophie, ihre Mitbewohnerin kennen. Wir fahren zusammen zu Carrefour und obwohl ich diesen Einkaufstempel umgehen wollte, bin ich froh, dort doch ein paar nützliche Dinge zu finden - und ein bißchen Zeit mit den beiden verbringen zu können, ist es auch nur beim "Shopping".
Am Abend treffen wir Martin, der an der Schule Chinesisch gelernt hat und in ein paar Tagen nach Singapur fliegen wird. Wir sind am Südtor verabredet und ich habe absolut nichts dagegen, daß Lily Sophie, Julia und Martin vorschlägt, in das gleiche Restaurant wie am Abend zuvor zu gehen. Wieder ist es köstlich und wir verbringen einen schönen Abend zusammen, der mit einem Bummel durch die "Bar Street" endet. Hier reiht sich eine Bar an die nächste und als Ausländer wird man mit 'Hellos' und 'Welcomes' überhäuft - ich finde das eher amüsant als belästigend und lächle freundlich zurück.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen