
Nun ist es also soweit! Zwei Wochen bevor ich Xi'an verlasse, fahre ich zur Terrakotta-Armee . Es fühlt sich an wie eine Verpflichtung, etwas skeptisch aber nicht mehr widerwillig mache ich mich auf den Weg zum Bahnhof, von wo aus Bus Nr. 306 zur wohl berühmtesten Sehenswürdigkeit Chinas fährt. Mich erwartet eine Riesenschlange, sicherheitshalber frage ich das letzte Mädchen und komme so mit ihr in's Gespräch. Sie spricht gut Englisch, ist auf dem Weg nach Hause und überrascht darüber (bzw. eher besorgt), daß ich ganz allein unterwegs bin. Ich erkläre ihr, daß ja eigentlich nicht viel passieren kann - ich steige in den Bus ein, er bringt mich direkt an's Ziel und es wird außer mir ja noch viele andere Menschen geben. Ausländer sehe ich zwar zunächst nur wenige, aber später werden es so viele sein. Aber so denken eben die (meisten) Chinesen...
Diese Ansicht relativiert sich noch um ein Vielfaches, als Brooke sich neben mich setzt. Ihren Namen erfahre ich eigentlich erst, nachdem wir wieder aus dem Bus ausgestiegen sind, aber auf der Fahrt erzählt mir die Amerikanerin aus Seattle von ihrer neunmonatigen Reise, die sie bis jetzt durch Indonesien, Singapur, Vietnam, Hongkong geführt hat, zeigt mir Photos. Sie ist allein unterwegs und wird nach ihrem Aufenthalt in China weiter in die Mongolei, nach Rußland und einige Länder in Ost- und Westeuropa reisen. Wow... Ich bin beeindruckt, höre ihr gespannt zu. Vietnam!
Nach ungefähr einer Stunde Busfahrt kommen wir an und als wir ausgestiegen sind, stellt Brooke mich ihren beiden Begleiterinnen vor, die sie im Hostel kennengelernt hat und die weiter vorn im Bus gesessen hatten. Mutter und Tochter, auch US-Amerikanerinnen und meine netten Begleiterinnen für den Nachmittag. Auf dem Parkplatz stehen viele Busse und man kann die ersten Ausländer sehen...
Nachdem wir unsere Tickets gekauft haben, gehen wir zunächst durch einen Park und entscheiden uns dann, zuerst in das Museum zu gehen und vorab einige Informationen zu bekommen. Wir gelangen danach eher zufällig in die zweite Halle - es gibt insgesamt drei. Hier bekommt man beim Blick von oben auf die Grabkammern einen ersten Eindruck; allerdings sind viele der Krieger und das Zubehör zerstört. Man hat dies bei den Ausgrabungen schon so vorgefunden. Trotzdem - ich bin beeindruckt... Von den Ausmaßen, der Liebe für's Detail sowohl bei den Erbauern als den Archäologen und in diesem Moment weiß ich, daß es sich absolut gelohnt hat, hierherzukommen.
In der dritten Halle gibt es in den Gruben weniger Figuren, alles wirkt übersichtlicher. Wir sind gespannt auf Halle I, die Hauptattraktion, schauen uns aber auf dem Weg dorthin noch im Panoramakino einen wirklich gut gemachten Film über die Entstehung des Mausoleums an. Und dann ist es soweit. Wir betreten Halle I und sind einfach nur überwältigt. Wir haben uns das Beste für den Schluß aufgehoben! Vor uns stehen, aufgeteilt in Gruben, über tausend Krieger aus Terrakotta, hohl und jeweils im Stück gebrannt. Jeder der Hohlkörper hat einen anders gestalteten, aufgesetzten Kopf, dessen Gesichtsausdruck sich bei keinem der anderen wiederholt; die eingesetzten Hände sind unterschiedlich von Figur zu Figur. Die dazugehörigen Pferde haben so feingestaltete Ohren und Nüstern - man könnte meinen, lebendige Tiere hielten nur für einen Augenblick inne und würden gleich weitertraben. In aller Ruhe schauen wir uns die gesamte Armee an - einst als Grabbeigabe eines größenwahnsinnigen Kaisers geschaffen und heute berechtigter Anziehungspunkt für Menschen aus aller Welt. Ein Besuch lohnt sich - und sei es bei den reisenden Terrakottakriegern in Europa!

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